Titel | Der goldene Handschuh |
Originaltitel | Der goldene Handschuh |
Jahr | 2019 |
Land | Deutschland, Frankreich |
Genre | Crime, Thriller, Drama |
Verleih | Warner Bros. |
Regie | Fatih Akin |
Darsteller | Jonas Dassler, Margarethe Tiesel, Katja Studt, Tristan Göbel |
Laufzeit | 110 Minuten |
FSK | ab 16 Jahren |
Links | IMDb, OFDb, Letterboxd |
Die Nacherzählung einer grauenhaften Morderserie im Hamburg der 70er Jahre verfilmt Fatih Akin auf Basis des gleichnamigen Buchs von Heinz Strunk. Dabei vermischen sich Tonalitäten zu einem undurchsichtigen, übel riechenden Brei.
Fritz Honka (Jonas Dassler) ist eine kümmerliche Seele. Zwar einer Arbeit nach gehend, haut er sein Geld vornehmlich für Alkohol auf den Kopf. Am liebsten in der jämmerlichen Kiez-Absteige „Der goldene Handschuh“, in dem sich tagtäglich der Bodensatz der ansässigen Gesellschaft tummelt. Gespickt mit den obskursten Spitznamen, sind die immer gleichen Gesichter an der Theke ebenso bekannt wie ihre Trinkgewohnheiten. In diesem nach Schnaps stinkenden Vorhof der Hölle hält Honka nicht nur nach dem nächsten Kurzen, sondern auch nach Frauen ausschau. Trotz seines entstellten Gesichts, welches er einem Verkehrsunfall zu verdanken hat, findet er immer wieder weibliche Begleitung, die allerdings ebenso wenig einem Schönheitsideal entsprechen wie er und zudem meist für ihre Dienste bezahlt werden wollen. Was die Damen natürlich nicht ahnen: Honka ist ein gefährlicher, mit Machtphantasien gespickter Mörder.
Der goldene Handschuh möchte beides sein: Milieu- und Charakterstudie in einem. Beides schafft er nicht so ganz und wenn, dann eher das Abbild eines verlotterten Mikrokosmos in einer berüchtigten Umgebung. Die betitelte Kneipe ist auf den Punkt getroffen und der Grat zwischen Faszination und Ekel für diese Kult-Absteige ist schmal. Schmierige, versoffene und unsympathische Typen werden durch schmissigen Hamburger Schnack vorgestellt. Zwischen Nasen-Erni, Soldaten-Norbert und Cola-Rum-Waltraud kommt man sich dabei aber nach und nach wie einer Parodie vor. Die Figuren im Handschuh wirken wie Karikaturen, die zwar durchaus bemitleidenswerte Gestalten abgeben, aber auch keine Moral zurücklassen. Wenn der gezeigte Sumpf aus billigem Fusel und gescheiterten Existenzen zum Nachdenken anregen soll, dann entlockt er dem Zuschauer dafür aber zu viele Lacher.
Im krassen Gegenzug dazu stehen dann die Szenen, die sich in Honkas kleiner Wohnung im Dachgeschoss in der Zeißstraße abspielen. Liebe zum Detail kann man dem Film wirklich nicht absprechen und von den Bildern nackter Frauen an den Wänden bis hin zum Schnaps im abschließbaren Wohnzimmerschrank wurden alle Details aus den damaligen Tatort-Fotos und Dokumentationen übernommen. In Honkas Wohnung fühlt man sich ähnlich unwohl, wie im Handschuh. Alles ist schmuddelig, Speisereste liegen herum, Zigarettenqualm liegt in der Luft. Und der modrige Geruch von faulendem Fleisch. Die Gewalt, die Honka psychisch und physisch an seinen weiblichen Opfern auslässt, schockt. Aufgrund der greifbaren Inszenierung wirken seine Übergriffe durchaus drastisch, auch wenn Akin sich dazu entscheidet bei den Härtespitzen nicht drauf zu halten. Exploitation bekommt man also nicht und auch die erwartete Grenzerfahrung in Sachen Gewaltdarstellung bildet Der goldene Handschuh sicherlich nicht, unangenehm auf sämtlichen Ebenen ist er aber allemal.
Was der Film hingegen nicht liefert sind die Nuancen zwischen Milieu und privater Folterkammer. Als Zuschauer lernt man im Kern viel zu wenig über die Figur Fritz Honka. Der oben benannte Grund für seine Entstellung wird im Film beispielsweise schon gar nicht behandelt. Hier ist er einfach ein gruseliger, schielender Typ mit schiefer Nase und schlechten Zähnen. Das er aber nicht immer so aussah und seine Entstellung, die dadurch mit resultierende Ablehnung des weiblichen Geschlechts und der Hang zum Alkohol darauf aufbaut, fällt somit unter den Tisch. Die Motivation Honkas beruht hier einzig allein auf dem Suff. Wenn er trinkt, wird er zur Bestie. Der Kontrollverlust steht im Mittelpunkt. Nicht nur der von Honka, sondern eben auch von jedem anderen Stammgast des goldenen Handschuhs. Das ist aber zu wenig um die Figur Honka komplett zu begreifen und somit bleibt der Charakter, trotz des grandiosen Schauspiels von Dassler, sehr eindimensional.
Fazit
Der goldene Handschuh legt sich beim Zuschauer wie ein schmieriger Film auf dessen Haut. Fühlbar verkommen und dreckig präsentiert sich Akins neues Werk und hegt einen unglaublichen Drang zum Detail. Glaubhaft gibt er Einblick in eine kleine, unheile Welt, die man von außen fasziniert betrachtet, aber ihr lieber nicht zu nahe kommt. Als ob man einen Blick durch die mit Vorhängen bedeckten Fenster des goldenen Handschuhs erhaschen und all die hoffnungslosen Seelen darin studieren kann. Aber die Zeit reicht nicht für Tiefsinnigkeit, man kratzt nur an der Oberfläche, bevor der Vorhang sich wieder schließt. Gleiches gilt für den Blick auf Honkas Leben. Seine Ausraster, seine Verzweiflung, seine bestialischen Taten. Der Film präsentiert das, was man aus den Erzählungen über ihn kennt, aber schafft es nicht den Charakter wirklich zu öffnen und dar zu legen, welche Gespenster in seinem Kopf ihn wirklich antrieben.
Was bleibt, ist eine Feldstudie, bei der man sich selbst die Hände nicht schmutzig machen muss und die einen wieder los lässt, bevor man sich in ihr verliert. Nachhaltige Erkenntnisse nimmt man aus ihr jedoch nicht mit.